Berlin, 15. August 2009, 18:12 (MEZ)
Das
war nicht sein Land. Er vermisste den Sand. Er vermisste die Wellen gegen die
Felsen. Er vermisste ein Board unter den Füßen und heiße Girls im Bikini.
Märkische Erde ist doch sandig, sagte Annie. Bikinis trägt sie nicht mehr, sagte
sie, seit sie die Söhne gebar und die madigen Streifen an den Hüften hatte.
Aber das war keine Wüste mit Oasen, Berlin war eine
schmuddelige Schlammpfütze. Alle Farben waren angegraut in diesem kühlen
Norden. Es war Sommer und nichts glühte, nicht einmal der Asphalt. Nur er war erhitzt
und rannte schwitzend durch die Stadt, nicht weil die Sonne auf ihn brannte,
sondern weil er nicht wusste wohin, aber auch nicht still sitzen konnte, nicht
in der schäbigen Wohnung, die er mit Karim teilte, nicht im Studio in den
Garagen hinterm Ostbahnhof, wo er zwei Saiten seiner Gitarre zerrissen hatte.
Sie ließ ihm keine Ruhe, diese Frau, die er nicht haben konnte und niemals
gewollt hatte. Wer bist du, Annie, wenn
du die Augen schließt? Wohin entgleitest du, wenn du dich unter mir
durchdrückst und mir entschlüpfst? Was fühlst du, wenn du dein Kleid
überstreifst und nur aus dem Handgelenk heraus ein wenig die Finger hebst, um
zum Abschied ein Winken anzudeuten? „See you next week.“
Something involving a lie
Something between you and I
The light fades away
And the day turns to grey
And you say, say
Nächste
Woche, Annie, nächste Woche sind sieben Tage, sieben Tage, die ich damit
verbringe, mir in der S-Bahn Mädchen auszusuchen, schöne Mädchen, dunkelhaarige
mit aparten Gesichtern, langbeinige Blondinen, zierliche, blasse Rotschöpfe,
kühle Brünette, keine älter als zwanzig, mit langen Haaren, die ihnen über die
Schultern fallen und mit Lippen, die sie zu
einem ironischen Lächeln, schürzen, das sie mir schenken: „Geht was?“ Weißt du
das eigentlich, Annie, weißt du, das, wie die Mädchen hinter mir her sind,
immer schon? Nie habe ich Schwierigkeiten gehabt, eine zu finden, die mich
mitnimmt. Ich gehöre nicht zu den Männern, die sich einbilden, sie könnten jede
haben, aber ich kriege immer genug. Da ist was an mir, sagt Karim, was sie hinreißt,
was Dunkles, Brodelndes. Ich brauche das nicht zu inszenieren, das ist einfach
da, mein dickes widerspenstiges Haar, das ich wüst um den Kopf stehen lasse,
die tiefliegenden Augen, vor allem die Falte über die Stirn, die mich älter und
erfahrener macht, als ich bin. Sie wollen mich. Sie wollen diese Düsternis mit
ihrer Heiterkeit erhellen. Sie wollen mich lachen machen, um mich dann zu
verlassen. Denn das weißt du auch nicht, Annie, dass ich sie haben kann, aber
keine halten. Du brauchst mich nicht zu bedauern, deswegen, denn ich habe das
auch nie versucht. Mir reicht es sie zu erobern, sie hinzureißen und
niederzuwerfen und ihr Glucksen zu hören an meinem Ohr, wenn sie sich ergießen.
Das reicht mir. Die Zettel mit den Telefonnummern, die sie mir auf den Tisch
legen oder in die Tasche stopfen, werfe ich immer gleich weg. So habe ich es in
Sydney gehalten, so in Berlin. Ich sehne mich nicht nach Gesprächen mit ihnen,
denn ich kann ihnen ohnehin nicht zuhören, weil ich auf ihren Ausschnitt starre
und beobachte, wie die Spitze sich ein wenig herausschiebt, wenn sie sich
vorbeugen oder in ihren rätselhaften blauen Augen versinke oder meine Hand über
ihre Schenkel schiebe, wenn wir schon so weit sind. So habe ich es auch bei dir
gemacht. Dennoch war es etwas anderes. Ich war mir sicher, wie ich mir immer
sicher bin, wenn es um Frauen geht. Ich wusste, dass was geht. Aber ich ahnte
auch, dass ich mich verstricken würde. Ich hatte dir schon zu lange gelauscht,
Annie. Ich hatte mich an deine Stimme berauscht (die gar nichts Besonderes ist,
wenn du nicht singst mit mir. Ich war deinem Blick ausgewichen, weil er mich
traf. Dafür gibt es keine Erklärung und keinen Grund, denn du bist gar nicht
mein Typ und niemand könnte mir nachsagen, dass ich auf ältere Frauen stehe.
Wenn du fragen würdest, könnte dir jeder sagen, der mich gekannt hat, dass das
abwegig ist.
Soft sure
As a knock on your door
Please say you´re there
Wait ,wasted
I´m here, I´m here
Lose it, yeah
„Ich
könnte deine Mutter sein“, hatte sie gesagt beim letzten Mal danach, als sie
sich von ihm weggedreht hatte, nachdem er sie bat: „Come with me. Let´s rock
Bondi Beach.“ Du weißt nichts über meine
Mutter und ich werde dir niemals etwas von ihr erzählen. Seine Mutter hatte
ihn gehasst. Sie war ein Grab, aus dem er geworfen worden war, zu seinem Glück. Das durfte sie nicht
erfahren. Wenn sie wüsste, wer seine Mutter gewesen war, ließe sie ihn nie mehr
herein. Er wolle von ihren Söhnen nichts wissen, beschwerte sie sich. Das tue
ihr weh. Ich will nicht wissen, Annie,
dass du eine Mutter bist. Er wollte nicht daran denken, dass sie Söhne
hatte, denen sie das Grab schaufelte. Meine
Mutter war eine Hexe und wohnte auf dem Grund des Meeres. Ihre Haare waren grün
und ihr Gesang schauerlich. Sie riss ihr fauliges Maul auf, um mich zu
verzehren. Ich habe ihr die Augen aus den Höhlen gerissen und die Zunge
abgeschnitten, doch ihr starrer Blick verfolgt mich und ihr fürchterliches
Gegröle schallt über die Ozeane bis ins märkische Flachland. Annie, ich will
dich zu Tode küssen, denn wenn du den Mund öffnest, rieche ich das Meer.
Er
stand auf der Brücke am Mühlendamm und spuckte in die Spree. Wohin fließt die Spree, Annie? Alle
Flüsse münden im Meer. Seine Spucke für Bondi Beach. „CU next week.“ Eine Woche
hat sieben Tage. Sieben Nächte. Sieben Mädchen. Eine Blondine im Mini-Rock
stolzierte vom Nicolai-Viertel auf den Damm zu. Ihre rote Tasche wippt.e Ihre
Hüften schwangen unter dem gestreiften Frotteestoff. Er spannte sein Gesäß an
und schob das Kinn vor.
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